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BMW Berlin Marathon 2022

1. Die Anmeldung

 

Die erste Hürde beim BMW Berlin Marathon ist die Anmeldung. Der Lauf ist einer der World Marathon Majors und gehört neben den Veranstaltungen in New York, Boston und London zu den größten und renommiertesten Marathonläufen der Welt. Entsprechend viele Athleten – darunter die besten Läufer der Welt – möchten daran teilnehmen. Das  heißt, wer langsamer als 2:45 läuft (Frauen 3:00) hat nur die Chance, über den Lostopf einen Startplatz zu ergattern. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass Berlin nur die volle Distanz zulässt. Es sind zwar Teamanmeldungen (2 bis 3 Personen) möglich, allerdings müssen alle Teammitglieder die volle Distanz laufen. Das Zeitlimit vom Überqueren der Startlinie bis zum Ziel liegt bei 6:15.

Die nächste Hürde ist die Anmeldegebühr. Im Jahr 2022 lag diese bei rund 150 €, für 2023 werden 163 € fällig. Inklusive ist ein 4-Tages-Ticket zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Finisher-Shirt, Medaillengravur (für die Finisher-Zeit) und weitere Extras, die optional dazu gebucht werden können, treiben den Preis schnell in die Höhe. Am Ende lag ich bei knapp über 200 € für Anmeldung, Shirt und Gravur. Der volle Betrag wird fällig, sobald man offiziell dabei ist – also spätestens, wenn man ausgelost wurde. Ab diesem Zeitpunkt gibt es kein zurück mehr, d.h. das Geld ist definitiv weg, auch wenn man am Renntag nicht läuft. Man kann im Vorfeld zwar eine Rücktrittversicherung für rund 10 € abschließen, diese zahlt aber nur in bestimmten Fällen, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung. Also unbedingt die Versicherungsbedingungen lesen. Außerdem wird nur die Anmeldegebühr erstattet – die gebuchten Extras sind von einer Erstattung ausgeschlossen.

 

2. Die Vorbereitung

Berlin ist ein schneller Lauf, es gibt kaum Höhenunterschiede. Nichtsdestotrotz sollte man die Vorbereitung nicht zu nachlässig angehen, denn nur wer die Ziellinie innerhalb der Zeitgrenze von 6:15 überquert, erhält eine Medaille. Außerdem kann man bis kurz vor dem Rennwochenende noch seine voraussichtliche Zielzeit im System anpassen. Aufgrund dieser Angabe erfolgt die Zuweisung zu den Startblöcken. Zeiten bis 3:15 müssen nicht nachgewiesen werden – wer schneller unterwegs ist, muss einen offiziellen Nachweis erbringen.

 

3. Die Marathonmesse

Das Rennwochenende startet bereits am Donnerstag mit Eröffnung der Marathonmesse auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof (sehr coole Location!), bei der auch die Startnummern ausgegeben werden. Marketing-technisch clever geregelt befindet sich die Startnummernausgabe am Ende einer endlos langen Halle mit unzähligen Ausstellern – eine Abkürzung direkt zur Startnummernausgabe ist nicht möglich. Wer also noch schnell neue Schuhe oder Verpflegung für die Strecke benötigt, wird hier definitiv fündig. Und die Versuchung ist groß, zuzuschlagen und die Kosten für das Wochenende leicht um mehrere hundert Euro in die Höhe zu treiben.

 

Ab Donnerstag treffen dann auch immer mehr Läufer in der Stadt ein. Viele sind an den gebrandeten Windjacken zu erkennen, die man entweder bereits bei der Anmeldung vorbestellen oder auf der Marathonmesse noch kaufen kann. Für 120 € kein Schnäppchen – generell sehen die Marathon-Shirts und -Jacken aber sehr schick aus, sind von einem namhaften Hersteller, hochwertig und man kann sie auch nach dem Rennwochenende noch tragen.

 

4. Das Rennen – vor dem Start

Der beste Weg zum Start führt über den Berliner Hauptbahnhof. Von dort geht es dann zu Fuß zu dem ca. einen halben Kilometer entfernten Startbereich – einfach den anderen Läufern folgen. Die Abläufe sind perfekt organisiert und man kann recht knapp ankommen ohne Angst zu haben, den Start zu verpassen. Nach Abgabe des Kleiderbeutels und eines letzten Besuchs auf der Toilette (davon gibt es übrigens ausreichend) geht es dann in Richtung Startaufstellung. Kleiner Tipp: Neben den Startblöcken befinden sich weitere Toiletten, die weniger stark frequentiert sind.

 

5. Das Rennen – los geht’s

Mit einer Zielzeit von 3:45 bin ich in Startblock F gelandet; hinter mir nur noch die Blöcke G und H, die relativ klein sind. Wow, bin ich wirklich so schlecht? Egal, der Startschuss fällt (für die hinteren Startblöcke ca. 20 Minuten nach der Spitzengruppe) und ich mache mich mit zehntausenden anderen Läufern auf den Weg ins 42 Kilometer entfernte Ziel. Wetter perfekt, körperlich fit – die 4 Stunden werden heute problemlos geknackt. Die Strecke ist sensationell abwechslungsreich – genauso wie das Publikum. Fast durchgehend Bombenstimmung am Streckenrand – unzählige Bands, Kapellen, kleine Orchester und sogar Alphornbläser motivieren die Läufer. Die Verpflegung ist ebenfalls top organisiert und ausreichend, d.h. man kann getrost auch mal eine Station auslassen. Nach ca. 8 Kilometern laufe ich im Runner’s High und fühle mich einfach gut – Energielevel, Beine, Verdauung … alles im grünen Bereich. Wenige Kilometer vor der Halbdistanz fangen die Leute an zu brüllen: „Weltrekord! Wir sind beim Weltrekordlauf mit dabei!“ Der Ausnahmeathlet Eliud Kipchoge lief mit 2:01:09 ins Ziel und verbesserte damit seine eigene Bestzeit um genau eine halbe Minute! Und ich habe noch nicht mal die Hälfte der Strecke hinter mir… Tatsächlich werden ab der Halbdistanz meine Beine etwas schwer. Abhilfe soll eines meiner Gels schaffen, die ich am Gürtel befestigt habe… eigentlich 2 Stück, wobei ich bemerke, dass nur noch eins da ist. Habe ich es unterwegs verloren oder hat es jemand im Gedränge der Startaufstellung geklaut – ich weiß es nicht. Egal! Gel rein und wenige Minuten später ist tatsächlich wieder genug Power da. Sensationell das Zeug! Glücklicherweise werden auf der Strecke ebenfalls Gels verteilt ... also gleich noch zwei Stück genommen und am Gürtel befestigt für später. Wenn die Beine gar nicht mehr wollen, gibt es sogar mehrere Massagestationen im Verlauf der Strecke. Zum Glück kann ich selbst darauf verzichten und bis ca. Kilometer 30 bin ich vor allem damit beschäftigt, andere Läufer zu überholen – so schlecht bin ich dann wohl doch nicht.

 

Allerdings werden die Beine immer schwerer – trotz Gel – und es hilft nichts, ich muss kurze Gehpausen einlegen. Umso ärgerlicher, weil der Kopf eigentlich will und ich mich bis auf die Beine körperlich weiterhin fit fühle. Die letzten Kilometer werden dann zu einer kleinen Qual, wobei die zunehmende Zuschauerzahl wieder einen ordentlichen Motivations- und Kraftschub verleiht. Und da kommt auch schon das Brandenburger Tor in den Blick – fast geschafft! Tipp: Jetzt bloß nicht in den Schlusssprint übergehen, wie es einige Läufer nun machen. Die Ziellinie befindet sich nämlich erst einige hundert Meter hinter dem Brandenburger Tor! Und dann ist das Ziel endlich da und ich überschreite ausgepowert aber glücklich die Ziellinie. Leider habe ich nicht nur meine Zielzeit, sondern auch die 4 Stunden nicht erreicht. Am Ende sind es 4:11:56. Egal – es war absolut geil!

 

6. Cool Down

Im Zielbereich wird per Lautsprecher darauf hingewiesen, nicht stehen zu bleiben, um den Kreislauf nicht zu schnell runterzufahren. Stehenbleiben ist auch keine Option für mich, denn das wohlverdiente (alkoholfreie) Bier wartet! Und selten hat das so gut geschmeckt, wie heute. Man sieht viele Läufer, die bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus gegangen sind. Ich habe noch nie so viele Sanitäter bzw. Martinshorn im Zielbereich gesehen/gehört (was aber auch der Masse an Läufern geschuldet sein kann). Ein Mann sitzt am Boden, hat die Schuhe ausgezogen und lässt seinen blutüberströmten Fuß behandeln. Wie kann man so überhaupt ins Ziel laufen, frage ich mich… Eine junge Frau wird von Sanitätern auf einer Trage abtransportiert. Der ein oder andere Läufer scheint die Distanz unterschätzt und die eigene Leistungsfähigkeit überschätzt zu haben.

 

7. Fazit

Kann ich Berlin empfehlen? Absolut! Würde ich nochmal mitlaufen? Klar – ich bin schon wieder im Lostopf für 2023 :-) Dass ich mein persönliches Ziel nicht erreicht habe, war nur kurz ärgerlich. Der Lauf war ein Riesen-Event, das einfach Spaß gemacht hat. Und die Tatsache, dass ich trotz Verzichts auf die anschließende kostenlose Massage keinerlei Muskelkater hatte zeigt, dass ich zumindest gut trainiert war. Nächstes Jahr schaffe ich es – sofern ich wieder einen Startplatz ergattere… Mit Platz 14.462 von rund 45.000 gemeldeten Läufern habe ich außerdem ein durchaus passables Ergebnis erzielt, das aber vor allem eines zeigt: Bei der Angabe der Zielzeit haben wohl ziemlich viele Läufer geschummelt, nur um ein paar Startblöcke weiter vorne zu stehen. Wie oben geschrieben, ist erst ab 3:15 ein offizieller Nachweis erforderlich. Das erklärt, warum ich über viele Kilometer so viele Läufer überholt habe und dass einige Läufer bereits nach wenigen Kilometern total ausgepowert waren und gehen mussten. Ich für meinen Teil rolle das Feld lieber von hinten auf – schließlich motiviert es mehr, wenn ich andere überhole, als wenn ich nur überholt werde. Die Anmeldung für 2023 ist übrigens noch bis zum 17.11.2022 geöffnet – auf geht’s!

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